Betreiber des „Karlsruher Modells“ wollen künftig gemeinsam Stadtbahnen bestellen
Eine Großbestellung von Zweisystem-Stadtbahnfahrzeugen statt mehrerer Einzelaufträge. Eine stellvertretende Zulassung statt mehrerer einzelner Verfahren: Die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG), Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK), Saarbahn Netz GmbH, Kasseler Verkehrs Gesellschaft mbH, Schiene Oberösterreich, die Erms-Neckar-Bahn und die Regionaltangente West (Frankfurt/Main) beabsichtigen, künftig gemeinsam TramTrains bei einem Hersteller in Auftrag zu geben.
Allen Unternehmen gemein ist die Nutzung des weltweit renommierten „Karlsruher Modells“ mit Zweisystem-Fahrzeugen, die innerstädtisch als Straßenbahn unterwegs sind und in der Region als Eisenbahn fahren. Um dieses Modell auch weiterhin wirtschaftlich halten zu können und sogar für neue Verkehrsunternehmen zu öffnen, wurde die Projektgruppe „VDV TramTrain“ gegründet.
Die Federführung des Projekts, das der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) begleitet, liegt bei Thorsten Erlenkötter von der AVG. Er beginnt in den kommenden Wochen mit der Erstellung eines Lastenhefts, das die Anforderungen an die Neufahrzeuge auflistet. „Idealerweise wollen wir im Herbst 2018 gemeinsam ausschreiben. Im Herbst 2021 soll dann das erste Fahrzeug ausgeliefert werden und der Zulassungsprozess sowie der Probebetrieb mit bis zu vier Fahrzeugen in den beteiligten Städten durchgeführt werden. Mit der Serienauslieferung soll Anfang 2024 gestartet werden“, berichtet Erlenkötter über den Zeitplan. Insgesamt sollen aus heutiger Sicht, wenn sich die Verkehrsverträge nicht grundlegend ändern, bis zu 300 TramTrains bestellt werden. Der Anteil von AVG und VBK ist mit rund 180 Fahrzeugen der größte unter den Projektteilnehmern. Ziel der beteiligten Unternehmen ist, durch die gemeinsame Bestellung ein Fahrzeug zu einem Stückpreis zu erzielen, der mehr als eine Million Euro unter dem heutigen Preis eines TramTrains liegt.
Die Verkehrsunternehmen wollen durch die Großbestellung Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich erreichen und das Zulassungsverfahren deutlich beschleunigen. Seit 2009 arbeiten sie an dem Projekt. Sie haben mit dem Vorstoß auf die Tatsache reagiert, dass der Fahrzeugpreis eines Zweisystemfahrzeugs gegenüber einem Vollbahnfahrzeug nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Durch die gemeinsame Bestellung können die einzelnen Unternehmen die Fahrzeuge aber wieder zu einem sehr attraktiven Preis erwerben und sichern das „Karlsruher Modell“ damit für die Zukunft ab. Weitere Verkehrsunternehmen haben bereits ihr Interesse an der Teilnahme bekundet. Diese Unternehmen sind an der Einführung des „Karlsruher Modells“ interessiert, das für sie durch die gemeinsame Beschaffung der Fahrzeuge deutlich an Attraktivität gewinnt.
Individuelle Anforderungen an die Fahrzeuge, die zum Beispiel durch unterschiedliche Bahnsteighöhen in den verschiedenen Städten und maximale Achslasten entstehen, sind kein Hindernis. Die TramTrains können in diesen Punkten an die jeweiligen Erfordernisse angepasst werden. „Man kann sich das vorstellen wie beim Kauf eines Autos. Wir bestellen ein Modell, das es dann als Zwei- und als Viertürer in verschiedenen Farben und mit entsprechendem Sonderzubehör geben wird“, erklärt Projektleiter Thorsten Erlenkötter die Vorgehensweise. Konkret soll ein gemeinsamer Wagenkasten mit demselben Antriebs-, Ausfall- und Sicherheitskonzept produziert werden. Dadurch können die Fahrzeuge einmalig zugelassen werden und alle weiteren ausgelieferten Bahnen werden dann nach dem sogenannten Konformitätsprinzip zugelassen. Auch das bringt eine erhebliche Kosten- und Zeiteinsparung.
Nach Inbetriebnahme der TramTrains ergeben sich durch die Konformität weitere Vorteile für die betreibenden Unternehmen. „Man kann gemeinsam Ersatzteile beschaffen, gemeinsame Experten zu Rate ziehen, eine Fahrzeugreserve anlegen und nicht zuletzt die Verhandlungsposition bei den Herstellern stärken“, zählt Projektleiter Thorsten Erlenkötter nur einige der Synergieeffekte auf. Bereits in einem frühen Projektstadium sind die beteiligten Unternehmen und der VDV auf die Fahrzeugindustrie zugegangen, die der Idee äußerst positiv gegenüber stand.